Der Real-Time Computer Complex

Ausschnitt des RTCC im Manned Spacecraft Center, Houston [TEC2012]

Im Mission Control Center in Houston, Texas, befand sich der Real-Time Computer Complex (RTCC), der „Hauptcomputer“ der Apollo- und Gemini-Missionen. Die Entscheidung, einen Zentralrechner zu verwenden wurde getroffen, um mögliche Kommunikations- und Datenübertragungsprobleme zu vermeiden, die bei verteilten Anlagen auftreten könnten. Die Mission Gemini IV im Jahre 1965 war die erste Mission, bei der der RTCC zum Live-Einsatz kam. Zu dieser Zeit bestand der Zentralrechner aus fünf IBM 7094 Rechnern mit jeweils 64K Speicher bei einer Wortgröße von 36 Bit.

Nach dem Feuer von Apollo 1 (27. Januar 1967) wurde der RTCC umgebaut, die IBM 7094 wurden durch die neuen IBM 360 Großrechner ersetzt. Diese Geräte verfügten über 1 MB Hauptspeicher mit einer Zugriffszeit von 750 ns sowie über weitere 4 MB Large Core Storage, einem Erweiterungsspeicher mit einer etwas geringeren Zugriffszeit von 3,6 μs. Die Bytegröße betrug 8 Bit (anstelle der zu dieser Zeit üblichen 4 oder 6 Bit), daher lässt sich die Angabe der Hauptspeichergröße auch leicht in MB angeben ohne Umrechnungen vornehmen zu müssen; die Wortbreite betrug 32 Bit. Der Rechner beherrschte Fließkommaberechnungen. Zur Datensicherung wurden 9-spurige Magnetbänder eingesetzt, acht der Spuren nahmen die Bits jeweils eines Bytes auf, der Inhalt der neunte Spur war ein zu diesem Byte gehörendes Prüfbit.

Die Aufgaben der einzelnen Maschinen des RTCC waren folgendermaßen aufgeteilt: Zwei Geräte wurden für die Softwareentwicklung eingesetzt, auf dem dritten Gerät liefen Flugsteuerungssimulationen, ein weiteres Gerät stand als Backup ständig in Bereitschaft und das fünfte Gerät schließlich war der „Mission Operation Computer“ (MOC), der sämtliche Berechnungen, die während eines Raumflugs nötig waren, durchführte. Zur Steuerung dieser Rollenverteilung gab es die „System Selector Unit“, mit der jeder einzelne der fünf Mainframes in einen beliebigen der verfügbaren Operationsmodi geschaltet werden konnte. Diese Operationsmodi waren: „Mission Operations“, „Dynamic Standby“, „Checkout and Training“, und „Off-Line“ .

Die Berechnungen des RTCC umfassten den gesamten Missionsablauf:

Die Daten, die zur Steuerung jeder einzelnen Phase der Mission nötig waren, wurden gesammelt, verarbeitet und dann aufbereitet an Mission Control weitergeleitet.

Zur Überwachung der Flugparameter des Raumschiffs wurden Soll-Ist-Vergleiche durchgeführt, der RTCC berechnete die aktuellen Daten über Position, Lage und Geschwindigkeit des Raumschiffs und verglich die Ergebnisse mit den vorher festgelegten Soll-Werten. Diese Berechnungen erfolgten in Echtzeit, man musste nicht auf die Berechnungsergebnisse warten (dementsprechend daher auch der Name Real-Time Computer Complex).

Zu den Aufgaben des RTCC gehörte auch die Berechnung von Zündungszeitpunkten und Zündungslängen für das TLI-Manöver. Dieses sowie weitere Manöver waren vor den jeweiligen Missionen simuliert worden. In diesen Simulationen konnten zwar Werte vorberechnet werden, doch um auch auf Abweichungen in Echtzeit reagieren zu können, wurde der RTCC für die Berechnung der aktuellen TLI-Werte eingesetzt. Diese Möglichkeit war bei den späteren Apollo-Missionen, die auf keiner reinen Free-Return-Trajectory flogen sondern einem hybriden Ansatz folgten, noch weitaus wichtiger. Dabei wurden weiterhin möglichst viele Vorteile der Free-Return-Trajectory genutzt, ohne deren Einschränkungen zu sehr zu unterliegen: Bei einer Free-Return-Trajectory sind die möglichen Landegebiete auf dem Mond eingeschränkt, und zwar auf ein Gebiet um den Mondäquator. Demgegenüber ermöglicht der hybride Ansatz ein größeres Spektrum möglicher Landeplätze. Auch wurden aufgrund der hybriden Flugbahn Ressourcen des Raumschiffs geschont, so dass mehr Nutzlast mitgeführt werden konnte. Das Raumschiff verließ die Free-Return-Trajectory erst nach Trennung von der S-IVB (3. Stufe der Saturn V) und konnte auch danach noch mit Hilfe eines zusätzlichen Triebwerkssatzes im Lunar Module zur Erde zurückkehren, falls die Mission an dieser Stelle doch noch hätte abgebrochen werden müssen. Die Simulationen lieferten jedoch für die hierfür nötigen komplexen, dynamischen Berechnungen keine exakten Ergebnisse mehr, ein Einsatz des RTCC während der Missionen war daher für die hybriden Missionen äußerst wichtig.

Die eingesetzten Programme waren überaus komplex, so hatte z.B. das Programm zur Überwachung des Raumschiffs und der medizinischen Daten der Astronauten eine Größe von 6 MB und galt als die bis zu diesem Zeitpunkt komplexeste geschriebene Software. Auch die Datensicherung wurde ernst genommen, sie erfolgte alle 90 Minuten auf Magnetband. Zur Bedienung des RTCC waren Terminals mit Bildschirmen vorhanden, die mit Hilfe von Konvertern angeschlossen waren (Digital-to-Television Converter). So wie es einen Standby-Rechner im RTCC gab, gab es auch eine Hilfs-Display-Ausstattung (Auxiliary Display Equipment), die ausschließlich für den Standby-Computer vorgesehen war.

PIC

RTCC-Konsole [NAS67, 2-2-1]    

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RTCC-Konsolen im MCC [LUN99]

Zum Abruf von Daten gab es an den Konsolen die „Computer Request Keyboards“. Mit diesen ließen sich während einer Mission sowie im Training spezifische Daten abrufen, die dann auf den Terminals, auf Plottern oder auch auf großen Projektionsdisplays dargestellt wurden. Diese Terminals sind es auch, die häufig in Dokumentarfilmen, aber auch in fiktiven Filmen mit NASA-Bezug zu sehen sind.